In den Nervenknoten gehen die Viren in einen inaktiven Ruhezustand (Latenz) über, in dem sie bei bis zu 60 % der Infizierten auch verbleiben. Bei ca. 30% der Infizierten werden die Viren durch bestimmte Signale wieder aktiviert. Wenn sie aus dem Ruhezustand erwachen, kommt es zum erneuten Ausbruch der Erkrankung (Rezidiv) mit spezifischen Symptomen und akuter Ansteckungsgefahr.[2]
- Herpes-simplex-Virus Typ 1 wird meist schon im Kindesalter übertragen. 60-90 % der Erwachsenen ab 50 Jahren in Industrieländern tragen das Virus in sich, bei 20-40 % kommt es wiederholt zu Ausbrüchen – am häufigsten in Form von Lippenherpes, zunehmend auch Genitalherpes, seltener andere Herpes-Arten auf der Haut oder Herpes-Enzephalitis.
- Herpes-simplex-Virus Typ 2 wird vor allem durch Sexualkontakte übertragen. Die Infektionsraten sind hier mit 20-40% geringer und stärker vom individuellen Risikoverhalten abhängig. Bei 70-90 % der Betroffenen kommt es wiederholt zu Herpes-Ausbrüchen, vor allem in Form von Genitalherpes. Gefährlich ist die Übertragung auf das Neugeborene während der Geburt, die eine lebensbedrohliche Neugeborenen-Herpes Infektion zur Folge haben kann.[3]
Sowohl Lippen- als auch Genitalherpes waren schon in der Antike bekannt, das spiegelt auch der Name wieder: “Herpes” ist vom griechischen Wort ἕρπειν / herpein = kriechen abgeleitet und verweist auf die kriechende Ausbreitung der Fieberbläschen.
Nicht nur auf die Lippen begrenzt: Die Beschwerden können an verschiedenen Stellen im Gesicht auftreten
Lippenherpes tritt bevorzugt am Übergang von Lippenrot und Gesichtshaut auf. Manchmal bilden sich die Bläschen auch auf den Lippen selbst oder auf der Mundschleimhaut.
Zur Ausbreitung der Bläschen kommt es vor allem dann, wenn der Herpes nicht behandelt wird und/oder die Viren durch das Berühren mit den Händen weitergetragen werden: So entsteht Herpes an der Nase (Herpes nasalis), an den Wangen (Herpes buccalis) und im übrigen Gesicht (Herpes facialis).
Lokale Mittel zur Behandlung von Lippenherpes wirken punktuell sind aber wenig diskret
Salben, Cremes und Gele gegen Herpes enthalten meist anti-virale Wirkstoffe wie z.B. Aciclovir, die bei frühzeitiger Anwendung die Vermehrung der Herpes-Viren hemmen können, bei fortgeschrittenem Ausbruch aber die Bläschenbildung nicht mehr unterdrücken können.
Daneben werden bei Lippenherpes auch austrocknende Salben auf Zinkbasis sowie pflanzliche Cremes mit Melisse verwendet. Beim wiederholten Eincremen, vor allem unterwegs, besteht jedoch die Gefahr, den Virus mit den Händen weiterzutragen was zu einer Schmierinfektion führen kann; zudem können die Inhaltsstoffe Unverträglichkeitsreaktionen auslösen. Dies gilt auch für Herpes-Salben auf Zink- oder Melissebasis.[6]
Herpes-Patches bzw. -Pflaster helfen, unbeabsichtigte Berührungen der infektiösen Stelle zu vermeiden. Sie sollen optisch kaschieren, werden im Alltag aber oft als wenig diskret und störend empfunden.[7]
Lysin-Tabletten gegen Herpes
Tabletten gegen Herpes mit dem Wirkstoff Lysin ermöglichen keine Akutbehandlung, können jedoch vorbeugend eingenommen werden, um häufige und langwierige Lippenherpes-Ausbrüche zu reduzieren und abzuschwächen.
Eine langfristige und unkontrollierte Einnahme von Lysin kann allerdings das körpereigene und ausgewogene Gleichgewicht von Aminosäuren im Körper ungünstig verschieben und so zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Bei einer dauerhaften Einnahme zur Prävention ist daher unbedingt eine ärztliche Abklärung individueller Risikofaktoren empfohlen.[8]
Mehr zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Therapieoptionen lesen Sie in unserem Text “Lippenherpes behandeln”.
HSV-2 (Herpes-Simplex-Virus Typ 2) als Auslöser von Herpes im Mundraum
Lippenherpes kann auch durch das Herpes-simplex-Virus Typ 2 ausgelöst werden. Dieser Fall ist seltener, wird aber in den letzten Jahren verstärkt beobachtet und auf den Wandel der Sexualpraktiken bzw. die zunehmende Verbreitung von Oralsex zurückgeführt.[9] Der Herpes kann dabei parallel im Mund- und Genitalbereich oder nur einer der beiden Regionen auftreten.
Herpes menstrualis: Hormonschwankungen sorgen für einen erneuten Ausbruch des Lippenherpes
Für die Reaktivierung der im Körper ruhenden Herpesviren gibt es verschiedene Auslöser, vom Sonnenlicht bis hin zum Stress. Bei Frauen kann auch die Monatsblutung zum wiederholten Ausbruch von Lippenherpes führen. Ursache hierfür sind die mit der Menstruation verbundenen hormonellen Veränderungen.[10]
Genitalherpes
Herpes im Genitalbereich wird durch das Herpes-simplex-Virus Typ 2 ausgelöst
Genitalherpes (Herpes genitalis) bezeichnet eine Herpesinfektion von Haut und Schleimhaut der Geschlechtsorgane:
- Beim Genitalherpes der Frau spricht man auch von vaginalem Herpes bzw. herpetischer Vulvovaginitis.
- Der Herpes genitalis beim Mann wird fachsprachlich auch als herpetische Balanoposthitis bezeichnet.
Genitalherpes wird in zwei Drittel der Fälle durch den Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2 bzw. HHV-2) ausgelöst. Bei einem Drittel der Fälle ist eine HSV-1-Infektion ursächlich.[11] Die Übertragung erfolgt überwiegend beim Geschlechtsverkehr, wobei die Viren über Haut- und Schleimhautläsionen in den Körper eindringen.
Die Anzahl der Menschen die mit HSV-2 infiziert sind, schwankt zwischen Alters- /Bevölkerungsgruppen und Ländern stark. Bis zu 40 Prozent aller Menschen sind mit dem HSV-2 infiziert, das häufiger als HSV-1 zu wiederholten Herpes-Ausbrüchen führt.
Die Symptome des Genitalherpes können im gesamten Intimbereich auftreten
Genitalherpes äußert sich durch Schwellung und Rötung der Haut sowie die Bildung schmerzhafter Bläschen. Bei Frauen können diese Symptome den äußeren Genitalbereich, die großen und kleinen Schamlippen, die Scheide und den Gebärmutterhals betreffen, beim Mann Eichel, Vorhaut, Penisschaft und/oder Hodenregion.[12]
Bei beiden Geschlechtern ist auch ein Auftreten im Analbereich, am Po oder an den Oberschenkeln möglich.[13]
Zählt ein Herpes im Genitalbereich zu den Geschlechtskrankheiten?
Da Herpes genitalis fast ausschließlich über Geschlechtsverkehr übertragen wird, gilt er als Geschlechtskrankheit. Diese durch Herpes-simplex-Viren verursachte Erkrankung betrifft weltweit etwa 500 Millionen Menschen.[15]
Herpes Zoster
Herpes Zoster wird ausgelöst durch das Varizella-Zoster-Virus
Das Varizella-Zoster-Virus (auch: Humanes Herpes-Virus Typ 3, HHV-3) verursacht Windpocken und Gürtelrose. Das Virus wird über Tröpfcheninfektion übertragen und ist in Mitteleuropa weit verbreitet – bei 95 % der Erwachsenen können Antikörper nachgewiesen werden.
Bei der Erstinfektion führt das Varizella-Zoster-Virus zu Windpocken, die bei Kindern mehrheitlich harmlos verlaufen, bei Schwangeren oder immungeschwächten Erwachsenen dagegen gefährlich sein können.
Die Reaktivierung des Virus führt zum Ausbruch von Herpes Zoster (Gürtelrose), der sich durch schmerzhaften Hautausschlag, leichtes Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl äußert. In manchen Fällen verbleibt auch nach dem Abheilen des Ausschlags ein Nervenschmerz (Post-Zoster-Neuralgie bzw. postherpetische Neuralgie).[16]
Herpes Zoster kann prinzipiell an allen Körperstellen auftreten
Charakteristisch für Herpes Zoster ist der schmerzhafte, bläschenbildende Hautausschlag, der meist streifenförmig an einer Seite des Oberkörpers erscheint – daher auch die Bezeichnung ‘Gürtelrose’. Der Ausschlag kann aber auch am Kopf und Hals auftreten, seltener an Armen und Beinen, in Ausnahmefällen auch am ganzen Körper.
Varizella-Zoster-Virus: Mögliche Therapiemethoden
Herpes Zoster erfordert in jedem Fall eine ärztliche Behandlung. Dabei werden meist mehrere Medikamente verordnet:
- virenhemmende Tabletten oder Infusionen um die Vermehrung des Zoster-Virus zu stoppen
- Umschläge, Tinkturen und Cremes zur lokalen Behandlung der Haut
- Schmerzmittel[17]
Herpes keratitis
Herpes keratitis: Eine Infektion der Hornhaut ausgelöst durch Herpesviren
Wenn der Herpes die Hornhaut des Auges (Kornea) betrifft, spricht man von einer Herpes keratitis oder Herpes corneae. Ursächlich ist meist eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren (meist vom Typ 1, seltener vom Typ 2), im Bereich des Trigeminus-Nervs.
Seltener sind Infektionen des Auges mit dem Varizella-Zoster-Virus, die fachsprachlich als Zoster ophtalmicus bezeichnet werden.[18]
Symptome des Herpes keratitis können um die Augen und in der Augenhaut auftreten
Die Herpes keratitis zeigt sich durch Schwellungen und Läsionen der Hornhaut in verästelter oder scheibenförmiger Ausprägung. Andere häufige Symptome sind Augenschmerzen und erhöhte Lichtempfindlichkeit.
Auch die Augenlider und/oder die Bindehaut des Auges können betroffen sein (herpetische Blepharitis bzw. Konjunktivitis), was sich durch Rötungen, Juckreiz und Bläschenbildung auf der Haut äußert.
Das kann bei einer Herpesinfektion des Auges helfen
Zur Behandlung einer Herpes keratitis ist ein Arztbesuch unerlässlich. Die Medikation orientiert sich am individuellen Krankheitsverlauf.
Herpes enzephalitis
Eine Herpes enzephalitis ist sehr selten kann aber sehr gefährlich sein
In seltenen Fällen können Herpes-Viren auch das zentrale Nervensystem angreifen und zu einer Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) führen. Dabei können auch das Rückenmark (Enzephalomyelitis) und/oder die Hirnhäute (Meningoenzephalitis) mit angegriffen werden.
Auslöser der Herpes-Enzephalitis ist meist das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), seltener auch das HSV-2 und das Varizella-Zoster-Virus sowie weitere Humane Herpesviren (HHV-4, HHV-5, HHV-6, HHV-7).[19]
Die Herpes Enzephalitis befällt verschiedene Gehirnregionen und löst dort Symptome aus
Zu Beginn einer Herpes-Enzephalitis treten grippeartige Symptome auf, insb. Muskelschmerzen, Fieber und Kopfschmerzen. Danach folgen spezifische Symptome wie Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle und Erbrechen. In solchen Fällen ist umgehend ärztliche Hilfe nötig.
Bei dieser Herpes-Infektion ist schnelles Handeln wichtig
Die präzise Diagnose inkl. Abgrenzung von anderen Formen der Enzephalitis erfordert eine ausführliche Untersuchung, u.a. mittels Liquordiagnostik (Lumbalpunktion), Computertomographie und EEG. Die Behandlung erfolgt stationär mit virenhemmenden Medikamenten.[20]
Neugeborenen-Herpes
Bei Neugeborenen-Herpes erfolgt die Infektion bei der Geburt
Herpes-Erkrankungen bei Neugeborenen werden als Herpes neonatorum bezeichnet. Ursache ist zumeist eine Übertragung des Herpes-simplex-Virus Typ 2 von der Mutter auf das Kind – in 85 % der Fälle während der Geburt, seltener postnatal, also kurz nach der Geburt. Daneben können auch neonatale Infektionen mit anderen Herpes-Viren auftreten.
Die ersten Symptome beim Neugeborenen können bis zu sieben Tage nach der Geburt auftreten, bei einem Drittel der Fälle ist auch das zentrale Nervensystem betroffen, weswegen eine sofortige Behandlung mit virenhemmenden Medikamenten erforderlich ist.[21]
Ausführliche Informationen dazu haben wir hier für Sie zusammengestellt: “Herpes während der Schwangerschaft, bei Babys und Kleinkindern”.
Quellen
[1] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S.40.
[2] Hans W. Doerr, Wolfram H. Gerlich (Hg.): Medizinische Virologie: Grundlagen, Diagnostik, Prävention und Therapie viraler Erkrankungen. Georg Thieme Verlag 2010, S. 251, 660.
[3] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S. 41-47.
[4] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S. 40.
[5] Wald A, Corey L. Persistence in the population: epidemiology, transmission. In: Arvin A, Campadelli-Fiume G, Mocarski E, Moore PS, Roizman B, Whitley R, Yamanishi K, editors. Human Herpesviruses: Biology, Therapy, and Immunoprophylaxis. Cambridge: Cambridge University Press; 2007. Chapter 36. PMID: 21348128.
[6] Gerd Gross: Lippenherpes: Diagnostik und konsequente Therapie helfen. Deutsche Apotheker Zeitung 2009, Nr. 48, S. 75, 26.11.2009. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2009/daz-48-2009/lippenherpes-diagnostik-und-konsequente-therapie-helfen
[7] Sabine Werner: Cremen, kleben oder Hitze. Was bei Lippenherpes hilft. Deutsche Apotheker Zeitung 2014, Nr. 16, S. 62. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2014/daz-16-2014/cremen-kleben-oder-hitze
[8] Griffith et al: Success of L-Lysine Therapy in Frequently Recurrent Herpes simplex Infection. In: Dermatologica 1987;175:183–190. https://doi.org/10.1159/000248823 SOWIE Singh BB, Udani J, Vinjamury SP, et al. Safety and effectiveness of an L-lysine, zinc, and herbal-based product on the treatment of facial and circumoral herpes. Alternative Medicine Review 10(2):123-7 (2005 Jun). https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15989381/
[9] Philip Marsh, Michael V. Martin: Orale Mikrobiologie. Georg Thieme Verlag 2003, S. 175.
[10] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 298.
[11] Hans W. Doerr, Wolfram H. Gerlich (Hg.): Medizinische Virologie: Grundlagen, Diagnostik, Prävention und Therapie viraler Erkrankungen. Georg Thieme Verlag, 2010, S. 660.
[12] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 299.
[13] AWMF online - Leitlinie: Koloproktologie / Anorektale Manifestationen sexuell übertragbarer Erkrankungen, https://register.awmf.org/assets/guidelines/081-006.pdf
[14] Peter Fritsch, Thomas Schwarz: Dermatologie Venerologie. Springer-Verlag 2018, S. 303.
[15] WHO Fact Sheet Sexually transmitted infections (STIs): https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/sexually-transmitted-infections-%28stis%29
[16] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S. 48-51.
[17] Andreas Plettenberg: Infektionskrankheiten der Haut: Grundlagen, Diagnostik und Therapiekonzepte für Dermatologen, Internisten und Pädiater. Georg Thieme Verlag 2010, S. 51. SOWIE Konrad Bork, Wolfgang Bräuninger: Hautkrankheiten in der Praxis: Diagnostik und Therapie. Schattauer Verlag 2005, S. 177.
[18] Wolfgang Leydhecker: Augenheilkunde. Springer-Verlag 2013, S. 68-70, detaillierter dazu Franz Grehn: Augenheilkunde. Springer-Verlag 2019, S. 169ff.
[19] Heinrich Mattle, Marco Mumenthaler: Neurologie. Georg Thieme Verlag 2013, S. 82-85.
[20] Heinrich Mattle, Marco Mumenthaler: Neurologie. Georg Thieme Verlag 2013, S. 84-85.
[21] Axel Hübler, Gerhard Jorch: Neonatologie. Die Medizin des Früh- und Reifgeborenen. Georg Thieme Verlag 2010, S. 484, 541.